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Provinzial-Correspondenz
1877
16. Mai , Seite 1"...No. 20. Provinzial-Correspondenz. Fünfzehnter Jahrgang. 16. Mai 1877. Des Kaisers Dank an die Reichslande. Allerhöchster Erlaß an den Ober-Präsidenten von Elsaß-Lothringen . Nachdem seit den Ereignissen, welche den Wiederanschluß von Elsaß-Lothringen an des Deutsche Reich zur Folge gehabt haben, eine Reihe von Jahren verflossen ist, habe Ich dem längst gefühlten Drange, diese Lande in ihrem neuen Verhältnisse mit eigenen Augen kennen zu lernen, nachzugeben Mich entschlossen. Um einer ernsten fürstlichen Pflicht zu genügen, bin Ich in die Reichslande gekommen. Ihre Erfüllung aber hat sich für Mich je länger desto mehr zu einer Quelle angenehmer Eindrücke gestaltet, welche durch freundliche Erinnerungen wohlthuend in Mir fortwirken werden. Ich verdanke dies vorzugsweise dem rücksichtsvollen Entgegenkommen eines großen Theils der Bevölkerung. Allenthalben auf Meinem Wege durch die Reichslande bin Ich huldigenden Aufmerksamkeiten mannigfacher Art begegnet, welche Ich gern als ebenso viele Beweise dafür betrachte, ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
16. Mai , Seite 2"...rungen dahin zusammen: »Wir sind nicht abgeneigt, Verbesserungen der Gewerbeordnung im einzelnen zuzugeben und an diesen Verbesserungen mit vollem Ernst zu arbeiten. Wir haben nie in Abrede gestellt, daß die Gewerbeordnung in einzelnen Punkten der Ergänzung bedürfe, aber an den Grundlagen der Gewerbeordnung , wie sie einstimmig von den Bundesregierungen und allen Parteien dieses Hauses im Jahre 1869 festgestellt sind, wollen wir nicht rütteln lassen .« Er fügte hinzu: »Wir sind im Interesse der Wahrheit verpflichtet, auch das an dieser Stelle zu sagen, daß selbst dann, wenn wir uns dazu verstehen, die Gewerbeordnung zu ergänzen, soweit das praktische Bedürfniß es erfordert – den Klagen, wie sie jetzt aus dem Handwerkerstande erschallen, nicht abgeholfen werden kann. Die Hülfe ruht bei den Handwerkern selber . – Auch wir wollen korporative Gewerkverbände ; aber diese korporativen Verbände sind nur möglich, wenn sie geschaffen werden aus der freien Thätigkeit der Gewerbetreibenden selbst und auf dem Boden unser ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
23. Mai , Seite 1"...No. 21. Provinzial-Correspondenz. Fünfzehnter Jahrgang. 23. Mai 1877. Die künftigen Gerichtseinrichtungen. Die neue deutsche Gerichtsverfassung, wie sie im vorigen Jahre mit dem Reichstage vereinbart worden ist, soll nach dem Einführungsgesetze im ganzen Umfange des Reichs an einem durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths festzusetzenden Tage, spätestens am 1. Oktober 1879 in Kraft treten. Nach derselben wird die ordentliche Gerichtsbarkeit zunächst durch Amtsgerichte und Landgerichte , ferner durch Oberlandesgerichte , endlich durch die Reichsgerichte geübt. Den Amtsgerichten stehen Einzelrichter vor, – ein Amtsgericht kann mit mehreren Richtern besetzt sein, jeder derselben erledigt aber die ihm obliegenden Geschäfte als Einzelrichter. Für die Verhandlung und Entscheidung von Straf sachen werden bei den Amtsgerichten Schöffengerichte gebildet, und zwar aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden und zwei Schöffen. Die Landgerichte werden mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Di ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
23. Mai , Seite 2"...heftige Wiederaufleben ultramontaner Agitationen eine Gefahr für den inneren und äußeren Frieden ist, die Regierung aufzufordern, von den gesetzlichen Mitteln, die ihr dagegen zu Gebote stehen, Gebrauch zu machen«. Der Minister-Präsident Jules Simon hatte sich mit diesem Beschlusse einverstanden erklärt. Die ultramontane Partei aber, weit entfernt, sich dadurch einschüchtern zu lassen, griff nunmehr das Ministerium selbst lebhaft an; der Erzbischof von Paris gab seinem Unwillen in einem an den Minister gerichteten Schreiben lauten Ausdruck. So heftig aber die Leidenschaften grade über diese Angelegenheit erregt waren, so sollte doch die ultramontane Frage nicht den unmittelbaren äußeren Anlaß zum Sturz des Ministeriums geben. Kurz darauf wurden in der Abgeordnetenkammer zwei Gesetze über die Gemeinderäthe und über die Presse berathen und bei denselben einige Abänderungen gegen die Absichten der Regierung durchgesetzt, ohne daß Jules Simon den Versuch gemacht hatte, es zu hindern. Dies gab dem Marschall Mac Ma ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
30. Mai , Seite 1"...No. 22. Provinzial-Correspondenz. Fünfzehnter Jahrgang. 30. Mai 1877. Der Dilettantismus in der auswärtigen Politik ist vom Fürsten Bismarck in den ersten Jahren seiner Ministerlaufbahn bei den Erörterungen über die Schleswig-Holsteinsche Frage mit folgenden Worten bezeichnet worden: »Die Auffassungen eines der Herren Redner über die europäische Politik erinnern mich an diejenigen eines Bewohners der Ebene, welcher zum ersten Male eine Bergreise macht. Wenn er einen Gipfel vor sich sieht, so scheint ihm nichts leichter, als ihn zu ersteigen. Er glaubt nicht einmal eines Führers zu bedürfen; denn der Berg liegt unmittelbar vor ihm und der Weg dorthin ist anscheinend ohne Hinderniß. Macht er sich nun auf den Weg, so stößt er bald auf Schluchten und Abhänge, über welche die beste Rede nicht hinweghilft.« – – Wir verlangen bei uns für jede amtliche Funktion, z. B. für die Justiz, ja für den Dienst des Unteroffiziers und jeden Anderen, Prüfungen, praktische Vorbildung, schwere Examina, aber die hohe Politik – die ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
30. Mai , Seite 2"...edeln Geister aller Zeiten gehegt, auch der Feldmarschall Graf Moltke hat sich in seiner jüngsten Rede wieder dazu bekannt, – aber daß wirklich ein internationales Schiedsgericht möglich sein sollte, welches den Widerstrebenden den Frieden auferlegen könnte, das hat noch kein praktisch politischer Geist geglaubt . Von ultramontaner Seite freilich hat der fortschrittliche Gelehrte darin anscheinend Zustimmung gefunden, nur unter der Voraussetzung, daß der Papst in Rom der allgemeine Schiedsrichter sei. Selbst wenn die europäische Welt aber jemals dahin kommen sollte, diesen Schiedsrichter anzuerkennen, so würden doch grade die Türkenkriege damit nicht abgeschafft werden; denn die Kreuzzüge gegen die Ungläubigen sind ja von den Päpsten als ein gottgefälliges Werk auf jede Weise ermuntert und gesegnet worden. Daß nun in Ermangelung eines Schiedsgerichts gerade die deutsche Regierung die Pflicht haben sollte, »dahin zu wirken, daß dem Kriege sobald als möglich ein Ende gemacht werde«, das kann der Redner nicht er ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
06. Juni , Seite 1"...No. 23. Provinzial-Correspondenz. Fünfzehnter Jahrgang. 6. Juni 1877. Geistliche und weltliche Macht. Die neueste Wendung der Dinge in Frankreich und die auf Grund derselben bevorstehenden weiteren Entwickelungen dürften neben den orientalischen Angelegenheiten die Beachtung Europas in nächster Zeit erheblich in Anspruch nehmen. Je größere Zurückhaltung in der Beurtheilung der inneren Krisis Frankreichs vom internationalen Standpunkte selbstverständlich zu üben ist, um so mehr erscheint es geboten, die Stimmen gewichtiger Organe der öffentlichen Meinung Frankreichs selbst, zumal solcher, welche nicht inmitten des Treibens der eigentlichen Parteipolitik stehen, zu beachten. Die »Revue des deux Mondes«, die einflußreichste unter den größeren Zeitschriften Frankreichs, hat sich soeben zum ersten Male über die neue politische Wendung äußern können. Sie thut es in zwiefacher Richtung: in der Uebersicht der letzten vierzehn Tage lediglich vom Standpunkte der inneren Politik, in einem zweiten Aufsatz mit Bezug auf d ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
06. Juni , Seite 2"...faßt, werden nicht über die Geschicke des Landes entscheiden. – – Der neue Minister-Präsident weiß, daß Frankreich den Frieden dringend braucht und wünscht, und daß es die Abenteuer und die Abenteurer verabscheuen gelernt hat: er weiß, daß eine Regierung, welche dem Lande einen Religionskrieg zumuthen wollte, als die schlimmste Feindin des Landes angesehen werden würde. Das neue Ministerium hat in der That erklärt, daß es an der bisherigen auswärtigen Politik nichts ändern wolle: wer könnte sich darüber wundern, – es ist keine andere Politik möglich. Und wie sollte man ihm nicht Glauben schenken? Der Ministerwechsel hat in Frankreich selbst eine Krisis von beunruhigender Bedeutung hervorgerufen, – die Regierung ist genöthigt, alle Kräfte nach innen zu wenden, und hat sich der Möglichkeit begeben, irgend eine Aktion nach außen zu üben.« – – Die Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes. Dem Bundesrathe ist vom Reichskanzler Namens des Präsidiums ein Gesetzentwurf behufs Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
13. Juni , Seite 1"...No. 24. Provinzial-Correspondenz. Fünfzehnter Jahrgang. 13. Juni 1877. Evangelische Lehrfreiheit und evangelisches Bekenntniß. Auf einer Berliner Kreissynode haben jüngst Meinungskämpfe über das kirchliche Glaubensbekenntniß stattgefunden, welche in den weitesten Kreisen der evangelischen Bevölkerung nachklingen und von bedeutender Wirkung für die Entwickelung des kirchlichen Bewußtseins werden dürften. Die Wahl eines Geistlichen, der in seiner Probepredigt seinen Widerspruch gegen das kirchliche Bekenntniß in seinen wichtigsten Grundlagen unverhohlen ausgesprochen hatte, und die Vorgänge, welche sich in der Kirchengemeinde hieran geknüpft hatten, gaben den ersten Anlaß zu dem scharfen Hervortreten der kirchlichen Gegensätze. Weitere grundsätzliche Erörterungen erregtester Art wurden durch den Antrag eines Berliner Gemeinde-Kirchenraths hervorgerufen: »Die Synode wolle bei den vorgesetzten Kirchenbehörden den Antrag stellen, daß das apostolische Glaubensbekenntniß beim kirchlichen Gottesdienst und bei kirchli ..." -
Provinzial-Correspondenz
1877
13. Juni , Seite 2"...Ordnung sei und woran Jedermann gebunden sein soll. Eine wirkliche Freiheit der Kirche sei nicht anders herzustellen, als indem man sie frei hervorwachsen lasse aus den Gemeinden. Dann könne man aber nicht daneben auch noch die Einheit der Landeskirche haben wollen. Er wagte die Behauptung auszusprechen, daß auch »die moderne Moral der Kirche bereits entwachsen sei«, man dürfe nicht mehr die Moral auf dem konfessionellen Boden erbauen, mit dieser Moral könne der moderne Staat und die moderne Menschheit nicht mehr existiren. Gegen diese Rede wandte sich der Kultusminister, um die Auffassung der Regierung über ihre Pflicht gegen die evangelische Kirche darzulegen; er hielt es ausdrücklich für geboten, namentlich den grundsätzlichen Standpunkt des Abgeordneten Virchow zu bekämpfen, denselben Standpunkt, der auch in der Petition eines Berliner Bezirksvereins an das Abgeordnetenhaus zum Ausdruck gelangt war. Der Minister erklärte, daß man von diesem Standpunkte nur dahin gelangen würde, daß die vereinzelten Gemein ..."